Teilprojekt A02 Additive Fertigung

Ziel des Teilprojektes ist die Erarbeitung eines grundlegenden Verständnisses der Mechanismen beim selektiven Laserstrahlschmelzverfahren unter XHV-adäquater Atmosphäre. Hierfür wird eine Versuchsanlage entwickelt, die den besonderen Anforderungen silandotierter Argonatmosphären entspricht und eine kontaminationsfreie Zufuhr von desoxidiertem Pulver ermöglicht. Die Untersuchungen werden am Beispiel der Titanlegierung Ti-6Al-4V durchgeführt, die aufgrund der hohen Sauerstoffaffinität einen schwer prozessierbaren Werkstoff für das selektive Laserschmelzverfahren darstellt. Aufgrund der erwarteten oxidfreien Grenzflächenübergänge im Gefüge sowie einer hohen Prozessstabilität bietet diese Verfahrensentwicklung ein hohes Potential für überlegene Bauteileigenschaften.

Ausgangslage

© LZH
Durch Laserstrahlschmelzen von Ti-6Al-4V hergestellte Oberfläche mit inhomogenen Schmelzspuren und Spritzerpartikeln © LZH

Das selektive Laserstrahlschmelzen (Laser-additive Fertigung im Pulverbett, nach ASTM: LPBF für Laser Powder Bed Fusion, früher oft SLM abgekürzt) wird erfolgreich für die Verarbeitung verschiedener industriell relevanter Werkstoffe eingesetzt. Entscheidend sind dabei das Aufschmelzen des Pulvers, die Benetzung des bereits erstarrten, additiv aufgebauten Grundwerkstoffs sowie die anschließende Konsolidierung. Eine wesentliche Herausforderung besteht allerdings in der Verarbeitung von Werkstoffen mit hoher Sauerstoffaffinität, da sich der Restsauerstoffgehalt der Prozessatmosphäre, bei industriellen Anlagen im Bereich mehrerer 100 ppm, stark auf den Prozess und die resultierende Bauteilqualität auswirkt. Grund hierfür ist die Bildung von Oxidschichten und die resultierende Verschlechterung der Benetzungseigenschaften wodurch inhomogene Schmelzspuren und Balling entstehen können (Bild). Die exotherme Energie bei Oxidationsreaktionen führt zusätzlich zur Laserstrahlung zur Erhöhung der Verdampfungsrate im Prozess und durch die entstehenden Oxide sowie die Sauerstoffaufnahme ins Basismetall kommt es zudem zu einer Versprödung des additiv gefertigten Bauteils. Beide Phänomene tragen damit zu einer Verschlechterung der Bauteileigenschaften bei. Da die Pulverwerkstoffe eine große relative Oberfläche aufweisen und im Falle von Titan und Titanlegierungen zudem eine hohe Affinität zu Sauerstoff vorliegt, kommt hier der Oxidation durch Restsauerstoff eine besondere Bedeutung zu.

Im Teilprojekt A02 soll daher eine neuartige Versuchsanlage entwickelt werden, um die sichere Verarbeitung von Pulverwerkstoffen in XHV-adäquater Atmosphäre zu ermöglichen. Zudem soll durch integrierte Prozesssensorik ein umfangreiches Prozess-Monitoring realisiert werden, auf dessen Basis ein grundlegendes Prozessverständnis, etwa durch Analyse von Balling und Spritzerbildung, erarbeitet werden kann. Insbesondere um die Einflüsse der Oxidschicht und der Prozessatmosphäre auf den Prozess zu quantifizieren, werden Benetzungsverhalten, Mikrostruktur, chemische Zusammensetzung sowie mechanische Eigenschaften untersucht. Basierend auf den Forschungsergebnissen und dem damit erzielten Erkenntnisgewinn wird in der zweiten Förderperiode das betrachtete Werkstoffspektrum erweitert.

Ziele

Trotz bekannter Herausforderungen im Zusammenhang mit Oxidbildung im Bereich des LPBF-Prozesses ist der Einfluss einer XHV-adäquaten Atmosphäre bislang unerforscht. Daher ist das Erarbeiten eines grundlegenden Prozessverständnisses für den LPBF-Prozess unter diesen Bedingungen das übergreifende Forschungsziel von Teilprojekt A02 in der ersten Förderperiode des Sonderforschungsbereiches. Hierzu soll eine neuartige Versuchsanlage entwickelt werden (siehe Abbildung).

Dabei lauten die Arbeitshypothesen zum einen, dass eine XHV-adäquate Atmosphäre den LPBF-Prozess beeinflusst und im Weiteren einen positiven Einfluss auf die Bauteileigenschaften nehmen kann. Es wird erwartet, dass das Benetzungsverhalten ohne Sauerstoff in der Prozessatmosphäre stark beeinflusst wird, sodass der Balling-Effekt und die Spritzerbildung als prozessbeeinträchtigende Vorgänge reduziert oder verhindert werden. Zum anderen werden starke Einflüsse auf die mechanischen Eigenschaften erwartet, welche aus der Reduktion der Porosität und der Veränderung der Mikrostruktur resultieren

Anlagenkonzept © LZH

Veröffentlichungen

Zeitschriftenbeiträge, begutachtet

  • Emminghaus, N., Bernhard, R., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2022): Residual oxygen content and powder recycling: effects on microstructure and mechanical properties of additively manufactured Ti-6Al-4V partsThe International Journal of Advanced Manufacturing Technology 121, pp. 3685–3701
    DOI: 10.1007/s00170-022-09503-7
  • Emminghaus, N., Bernhard, R., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2022): Determination of optimum process parameters for different Ti-6Al-4V powders processed by Laser-based Powder Bed FusionProcedia CIRP 111, pp. 134–137
    DOI: 10.1016/j.procir.2022.08.052
  • Emminghaus, N., Bernhard, R., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2022): Laser-based powder bed fusion of Ti-6Al-4V powder modified with SiO2 nanoparticlesThe International Journal of Advanced Manufacturing Technology 122, pp. 1679–1694
    DOI: 10.1007/s00170-022-09944-0
  • Emminghaus, N., Fritsch, S., Büttner, H., August, J., Tegtmeier, M., Huse, M., Lammers, M., Hoff, C., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2021): PBF-LB/M process under a silane-doped argon atmosphere: Preliminary studies and development of an innovative machine conceptAdvances in Industrial and Manufacturing Engineering, p. 100040
    DOI: 10.1016/j.aime.2021.100040
  • Emminghaus, N., Hoff, C., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2021): Residual oxygen content and powder recycling: Effects on surface roughness and porosity of additively manufactured Ti-6Al-4VAdditive Manufacturing 46, p. 102093
    DOI: 10.1016/j.addma.2021.102093

Beiträge in Büchern

  • Emminghaus, N., Fritsch, S., Büttner, H., August, J., Tegtmeier, M., Huse, M., Lammers, M., Hoff, C., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2021): Entwicklung eines innovativen Anlagenkonzepts für die Verarbeitung von Ti-6Al-4V im LPBF-Prozess unter silandotierter ArgonatmosphäreIn: Lachmayer, R., Rettschlag, K., Kaierle, S. (Hg.): Konstruktion für die Additive Fertigung 2020. Berlin, Heidelberg: Springer, pp. 301–320
    DOI: 10.1007/978-3-662-63030-3_16
    ISBN: 978-3-662-63030-3

Konferenzbeiträge, nicht begutachtet

  • Emminghaus, N., Bernhard, R., Hermsdorf, J., Overmeyer, L., Kaierle, S. (2023): Laser-based powder bed fusion of Ti-6Al-4V structures with different surface-area-to-volume ratios in oxygen-reduced and oxygen-free environmentIn: Clausthaler Zentrum für Materialtechnik (Hg.): Tagungsband 4 . Symposium Materialtechnik. Düren: Shaker Verlag.
    DOI: 10.21268/20230711-12
    ISBN: 978-3-8440-9105-2
  • Emminghaus, N., Hoff, C., Hermsdorf, J., Kaierle, S. (2021): Influence of laser focus shift on porosity and surface quality of additively manufactured Ti-6Al-4VIn: WLT (Hg.): Lasers in Manufacturing Conference Proceedings 2021
  • Tegtmeier, M., Emminghaus, N., August, J., Lammers, M., Hoff, C., Hermsdorf, J., Overmeyer, L., Kaierle, S. (2021): Development of a machine concept for the processing of Ti-6Al-4V in the PBF-LB/M process under silandized argon atmosphereIn: WLT (Hg.): Lasers in Manufacturing Conference Proceedings 2021.
Alle Veröffentlichungen des Sonderforschungsbereiches

Teilprojektleiterin/Teilprojektleiter

Prof. Dr.-Ing. Stefan Kaierle
Adresse
Laser Zentrum Hannover
Hollerithallee 8
30419 Hannover
Prof. Dr.-Ing. Stefan Kaierle
Adresse
Laser Zentrum Hannover
Hollerithallee 8
30419 Hannover

Teilprojektbearbeiterin

Nicole Emminghaus
Adresse
Laser Zentrum Hannover
Hollerithallee 8
30419 Hannover
Nicole Emminghaus
Adresse
Laser Zentrum Hannover
Hollerithallee 8
30419 Hannover